Ensemble Lux Orientis

AL ISRA / DIE NACHTFAHRT

 

Auf der musikalischen Reise der NACHTFAHRT begegnen sich zwei Kulturen auf der Suche nach gemeinsamen Wurzeln, die bis in die Gegenwart reichen.

Inspiriert von den Parallelen zwischen Dantes Göttlicher Komödie und Ibn Arabis kitap al Isra (Buch der Nachtfahrt) entstand die Idee eines Konzerts, das sich formal und inhaltlich an der Göttlichen Komödie orientiert und zugleich eine künstlerische Reflexion über die Konfrontation und Wechselwirkung der Kulturen beinhaltet.

Das Ensemble Lux Orientis besteht aus fünf in Alter Musik und/oder traditioneller arabischer Musik spezialisierten MusikerInnen. Vier Gäste ergänzen das Programm um weitere Instrumente und performative Elemente – darunter Live Electronics, Derwisch-Tanz und Incense.

Bei AL ISRA / DIE NACHTFAHRT interagieren die Musik des Mittelalters und der Ars nova sowie arabische Kunstmusik und Improvisationen miteinander. Auf das Publikum warten un- terschiedliche musikalische Stationen, die inhaltlich der Hölle, dem Läuterungsberg und dem Paradies entsprechen. Die multisensorische Reise des Konzerts stellt die innere Entwicklung des Menschen vom Abgetrenntsein bis zur Transzendenz dar.

 

HINTERGRUND

 

Der arabisch-muslimische Gelehrte Ibn Arabi (1165-1240) gilt mit seinen liberalen Ansichten schon seit Jahrhunderten als Gegenentwurf zu salafistischen Strömungen. In seinen Schrif- ten Kitap al Isra und Futuhyat beschreibt er die Nachtfahrt des Propheten Mohammed als Spiegelung seiner eigenen spirituellen Erfahrung. Dabei verwendet er Bilder, Symbole, formale Strukturen und Figuren, die auch in Dantes Göttlicher Komödie aus dem Italien zwi- schen Mittelalter und Renaissance auftauchen.

Auf diese literaturhistorischen, aber auch kosmologischen Parallele ist zuerst 1919 vom Lite- raturwissenschaftler Miguel Asín Palacios in seinem Buch La Escatologia Musulmana en la Divina Comedia verwiesen worden. Die Theorie führt noch immer zu einer gewissen Erschütterung der abendländischen Identität. Der Schriftsteller Ilija Trojanow schreibt dazu:

„Die Leistung eines literarischen Genies wie Dante besteht darin, dass er aufnahmefähig für bereits vorhandene Ideen war und die Energie und Vision hatte, im Geiste des Zusammenflusses ein indi- viduelles Meisterwerk zu schaffen. Leider wurde es unter den Autoren der Theologie, Literatur und Wissenschaft bald üblich, muslimische Vorläufer zu leugnen und zu löschen.“

Ausgehend von der wissenschaftlichen These eines historischen Kontinuums zwischen ,okzidentalerʻ und ,orientalerʻ Kultur und dem öffentlichen Widerhall, den sie gefunden hat, konzipierte das Ensemble Lux Orientis zum 700-jährigen Dante-Jubliläum im Jahr 2021 ein Konzertformat, in dem Musik aus europäischer und mittelöstlicher Tradition zusammenkamen. Seitdem wird das Programm kontinuierlich weiterentwickelt – zuletzt im Juni 2024 für drei Konzert in der Ibn Rushd-Goethe Moschee in Moabit, bei der TITANS RISING-Konzertreihe in der Kirche am Lietzensee in Charlottenburg und im Kühlhaus in Kreuzberg.

Das interkulturelle Thema der NACHTFAHRT wird dabei immer wieder aus künstlerischer Perspektive und in einem kollaborativen Arbeitsprozess aufgegriffen, aus dem heraus auch das Ensemble entstanden war. Die besondere Brisanz des Vorhabens liegt im aufkläreri- schen Effekt, den das Projekt hinsichtlich eines kulturübergreifenden Dialogs in Zeiten von zunehmendem Nationalismus und wachsender Fremdenfeindlichkeit erzeugen kann.

 

 

 

 

 

Listen:

https://soundcloud.com/user-904538615/nachtfahrt-1teil-funkmuseum-konigswusterhausen-2020?si=e72ef7dd0aac450bb0e7f204ee465755&utm_source=clipboard&utm_medium=text&utm_campaign=social_sharing